Heute früh las ich in einem Comic: Jede Entscheidung ist doch ein Massenmord an Möglichkeiten. Der Spruch gefiel mir sehr gut, denn die Entscheidung zu einem Spiel des Jahres tötet für viele die Nominierte. Genauso wie die Entscheidung zu den Nominierten die Empfehlungsliste und alle anderen unerwähnten Spiele getötet hat. Über die wird auf einmal nicht gesprochen. Aber manchmal wollen Entscheidungen gefällt werden um im Leben voranzukommen. Entscheidungen werden getroffen um anderen Menschen eine Hilfe zu geben und an die Hand zu nehmen, oder man trifft für sich selber Entscheidungen, so wie die Griechen das gemacht haben. Manche Entscheidungen sind Trivial. Andere sind schwer. Wieder andere sind Mutig. Nach der Verleihung heute habe ich der Jury für ihre mutige Entscheidung gratuliert. Aber warum Mutig?

Es war 2013. Die Jury hatte es gewagt zwei Spiele zu nominieren die in einer kleinen Schachtel daher kamen. Würde die Jury es wagen wirklich eins davon gewinnen zu lassen? Die Jury aber lies sich von solchen Furchtaussagen nicht beeinflussen. Sie kürte Hanabi verdient zum Gewinner und hatte deutlich gemacht, es geht ihr nicht um die Schachtelgröße, sondern um das beste Spiel. Die Entscheidung war nicht nur eine Gute, weil es wirklich gutes Spiel ist, sondern weil sie auch im Handel von den Kunden angenommen wurde. Es wurden noch nie so viele Spiel des Jahres verkauft, wie 2013.

Inzwischen ist 2015. Erneut hat die Jury zwei Spiele nominiert um ein Zeichen zu setzen (ob beabsichtigt oder nicht). Diesmal waren es aber nicht zwei kleine Spiele (auch wenn 2 Kleine dabei waren), sondern zwei Spiele die von einigen als nicht Familienfreundlich abgetan wurden. Ein Spiel mit einer Schädelfratze auf der Schachtel und jeder Karte. Und ein weiteres Spiel, wo die Spieler auf Mitspieler schießen und diese boxen und treten (aber nicht töten). Und die Jury hat dieses Spiel gewinnen lassen.

Ist das mutig Familienungeeignete Spiele überhaupt zu nominieren? Die Jungs vom Podcast The Spiel, haben ganz schön gegen The Game geschossen, weil es die Kriterien der Jury nicht erfüllt. Es wäre zu düster, hätte kein Thema und der Schädel, ja der Schädel, ja, der geht gar nicht. Gleichzeitig sind sie der Meinung, das Colt Express das beste Spiel des Jahres wäre und alle Kriterien erfüllt. Auf der anderen Seite lese ich bei Spielevater, dass Colt Express gar nicht geht. Das hier Gewalt wie ein Ballerspiel verherrlicht wird und sowas unter dem Weihnachtsbaum einer Familie nicht zu suchen hat.

Vergibt die Jury ein Familienspielepreis? Viele verstehen das so, aber so wie ich es interpretiere geht es immer noch um die Förderung des Kulturgut Spiel. Spielen ist Facettenreich und dass die Familien vielleicht die sind, die das Spiel des Jahres am häufigsten gekauft haben, bedeutet jedoch nicht, das dies die primäre Zielgruppe von dem Preis sind. Es sind die wenig- bis selten-Spieler. Die Menschen die nur ab und zu mit Spielen in Berührung kommen oder keine Lust haben sich zu informieren. Menschen die was kennen lernen wollen und dafür eine Hilfe suchen. Menschen die wissen wollen, wenn sie nun das beste Spiel des Jahres spielen wollen, was wäre da geeignet? Diese Aufgabe sieht die Jury.

Tom Felber hat in seiner Rede heute auch wunderbar auf die Pressemitteilung SAZ einen Satz verloren. Brettspiele, oder Gesellschaftsspiele, oder einfach analoge Spiele, die neben ihre digitalen Kollegen irgendwie immer noch ein Schattenleben fristen, sollen in den Sammlungskatalog der Nationalbibliothek aufgenommen werden. Ein Umstand der mich erschreckt hat, weil ich dachte das wäre schon Stand der Dinge. Erschreckend das dies nicht so ist. Und das in Deutschland, dem Geburtshelfer für eine weltweite Brettspieleuphorie. Es geht um das Kulturgut.

Und zu einem Kulturgut gehören auch Spiele die nicht für Familien geeignet sind oder nicht in das Weltbild jeder Familie passen. Und diese können das Kulturgut auch transportieren. Das der Umgang mit Pistolen, wie mit Säbeln Teil der Entwicklung von Kindern ist ist eigentlich allgemein anerkannt [1][2][3]. Und hier wird nicht mal mit Waffen gezielt, hier sind keine eventuellen Pistolen in den Händen der Teilnehmer wie bei Ca$h ’n Guns. Hier ist das so abstrakt, dass ich mich damit schwer tue dies so zu erleben, wie andere das sehen. Für mich ist es auf Kindercartoon Qualität, wie sie in den 80ern war, und diese hat mich auch nicht verdorben, bin ich der Meinung.

Die Jury war also mutig und hat das Spiel zum Sieger gemacht, welches in Deutschland auf den größten Widerstand stoßen könnte mit seinem Thema. Spielevater war nun der erste der sich heute gemeldet hat. Und weitere werden folgen. Aber das Spiel bleibt dennoch ein sehr gutes, welches sogar schon drei Erweiterungen angekündigt bekommen hat. Die Jury hat gezeigt, für uns ist nichts tabu. Alles ist drin. Am Ende muss es einfach ein echt gutes Spiel sein. Und das ist Colt Express, das bezweifelt keiner.

Abschließend muss ich noch sagen, das für mich die Jury aber eine weitere, eigentlich viel größere Leistung vollbracht hat. Sie hat geschafft drei Spiele zu nominieren, die alle drei verdient Spiel des Jahres wären. Jedes davon konnte gewinnen und jedes hatte sein Stärken und Schwächen. Es war eine echte 33%-Chance für jedes der drei Spiele. Solch einen Umstand erinnere ich mich nicht je vorher erlebt zu haben. Und das macht diese Nominierung noch viel Stärker als die finale Wahl. Hoffen wir das diese auch komplett in Erinnerung bleiben.

Herzlichen Glückwunsch an die Autoren und Redakteuren der beiden Siegertitel, Colt Express und Broom Service: Christophe Raimbault sowie Andreas Pelikan, Alexander Pfister und Stefan Brück.

Update: Arne hat auch ein paar Impressionen zur Berlincon und zum Spiel des Jahres zusammengeschnitten. Wir hoffen, dass Euch das Video gefällt.