Es gibt Spiele die kommen auf den Tisch hinterlassen einen guten Eindruck und verschwinden dann in den hinteren Regionen des Kopfes, weil die nächste Neuheit auf den Tisch muss. Wer auf vielen Veranstaltungen ist, bekommt da auch viele Eindrücke vermittelt, aber schafft sich dann die wenigsten davon ab. Murano ist eins dieser Spiele, welche in Essen letztes Jahr einen positiven Eindruck hinterlassen hat, es kam sogar auf den sechsten Platz der Fairplay Scoutwertung. Ein ansehnliches Ergebnis, welches auch veranlasst hatte es früh zu spielen. Inzwischen ist es wieder öfters auf den Tisch gekommen und ich stelle fest, dass ich das Spiel liebe.

Der offensichtliche Hauptclou ist dabei der Aktionsauswahl-Mechanismus. Die Aktionen sind als Felder am Spielfeldrand einfach aufgeführt. Manche gibt es nur einmal andere sogar dreimal, je nach Wichtigkeit der Aktion im Spiel. Und es gibt 8 Gondeln die da lang fahren und die Aktionen auslösen. Wer dran ist schiebt eine Gondel vorwärts, ohne eine andere ein oder zu überholen. Und die Aktion auf dem Feld wo sie stehen bleibt wird ausgeführt. Aber nur weil ein anderer die Aktion schon gemacht hat, bedeutet dass nicht das sie gesperrt ist. Für ein bisschen Gold können mehrere Gondeln bewegt werden um entsprechend Platz zu machen und auf die nötige Aktion zugreifen zu können.

Was man als Aktionen macht klingt jetzt nicht so spannend. Es werden Gebäude gekauft, selbige gebaut, Geld eingesammelt und ähnliches. Was allerdings noch spannend ist sind die Karten. Zum einen gibt es die roten Karten. Während drei von vier Gebäuden fürs Bauen Siegpunkte geben, gibt es für das vierte Gebäude stattdessen eine Sonderkarte, die die Spielregeln für einen ändert. Das können zusätzliche Siegpunkte sein, Geldersparnis an etlichen Stellen, oder auch mehr Auswahl bei den Charakterkarten. Die Gebäude bevölkern die Inseln. Und diese werden später gewertet. Und da kommen die anderen Karten ins Geschehen. Die Charakterkarten bringen die eigentlichen Siegpunkte. Zum Spielende wird jedem Gondoliere den man aufgestellt hat eine Karte zugewiesen, welcher wiederum einer Insel zugewiesen ist. Manche Karten müssen einfach einer bestimmen Insel zugewiesen sein, andere sind da offen, aber sie stellen Vorraussetzungen an diese Insel.

Hier liegt auch das von den meisten bemängelte Problem. Auf der einen Seite will ich früh Charakterkarten haben um darauf hinzuarbeiten, auf der anderen Seite kann im frühen Spiel mir noch jeder einiges verbauen. Denn es gibt nicht nur Karten die sagen, habe mindestens x und y drauf, sondern auch Karten habe exakt x = y = z oder nicht mehr als dies und jenes. Zum einen kann dies ausgeglichen werden, das ja nicht einfach die oberste Karte gezogen wird, sondern aus drei Karten eine ausgewählt wird, zum anderen ist hier der Tradeoff. Frei nach dem Motto No Risk-No Fun, müssen die Spieler abschätzen ob sie lieber viele Punkte wollen, für die sie arbeiten und hoffen müssen, oder wenige Punkte die solide und einfach zu bekommen sind. und das ist der viel größere Reiz in diesem Spiel, als der clevere und spannende Aktionsmechanismus.

Für mich ist Murano ein echtes Schmuckstück, das einzig deswegen keinen zweiten Daumen erhält, weil ich das Gemaule von ein paar Schnarchnasen am Tisch nicht ertragen kann und es daher nicht in jeder Konstellation auf den Tisch bringen kann. Es gibt halt Spieler, denen der Glücksanteil in Form der Karten zu hoch erscheint. Mir nicht. Aber die schnelle Spielweise mit sehr kurzen und knackigen Aktionen ohne Downtime plus die Gesamtspieldauer von 60 bis 90 Minuten gepaart mit Spannung bei der Wertung und überraschenden Zügen der Mitspieler macht mir einfach Spaß. Vor allem, wenn nicht nur alle auf dieselbe Strategie gehen. Denn mit 6 Charakterkarten können genauso viele Punkte drin sein, wie mit nur drei, oder gar komplett ohne. Mitspieler hier lesen ist wichtig. Wer also dieses Highlight bisher verpasst hat, sollte jetzt ohne nachzudenken das nachholen und spielen.

Daumen Hoch 1

Autor: Inka Brand, Markus Brand
Illustrator: Klemens Franz
Verlag: Lookout Games, 2014
Vertrieb: –
Spielerzahl: 2-4 Kennerspieler
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